Eine Kulturmeile für Bochum - DIE WELT - WELT ONLINE
Von Michael-georg Müller 13. Dezember 2008, 03:02 Uhr
Mit dem "Viktoria-Quartier" rund um die Marienkirche plant die Stadt den großen Wurf
Bochum definiert sich nicht nur über Opel, sondern auch über Kultur." Das ist nicht nur ein großes Wort aus dem Munde von Michael Townsend. Stolz schwingt mit, wenn Bochums Kulturdezernent über das "Viktoria-Quartier" im Zentrum der Stadt spricht. Es geht um eine "Kulturmeile" gleich im Anschluss an das berühmte Event-Viertel "Bermudadreieck".
Essen hat eine solche Zusammenfassung wichtiger Kultureinrichtungen am City-Rand im Umfeld von Aalto-Oper, Konzerthaus und Folkwang-Museum. Köln hat sie rund um den Dom, die Philharmonie und die großen Museen. Dortmund bekommt sie mit dem aufregenden Kulminationspunkt des neuen "Dortmunder U".
Und nun auch Bochum. Dort soll, direkt neben der Marienkirche, pünktlich zum Kulturhauptstadt-Jahr 2010 die neue Bochumer "Symphonie" eröffnet werden. Fünf Minuten zu Fuß vom Schauspielhaus an der Königsallee entfernt, wird ein Konzerthaus mit rund 1000 Plätzen entstehen, in dem überwiegend die Bochumer Symphoniker proben und ihre Konzerte geben.
Jahrelang war um den Bau gerungen worden, nicht zuletzt von Steven Sloane. Der Generalmusikdirektor, der auf internationalen Opernbühnen und Konzertpodien einen glänzenden Ruf genießt, machte vom Bau des Konzerthauses seinen Verbleib in der Stadt abhängig. Daher schlossen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur der Initiative an.
Da die Stadt dem Bau nur zustimmen konnte, wenn die Hälfte der Gesamtkosten von etwa 30 Millionen Euro durch Privatspender eingeworben wird, ging der amerikanische Sympathieträger Klinken putzen. Bis vor einigen Wochen konnten er und das "Spendenpolo für die Symphonie" von den notwendigen 14,3 Millionen nur 12,3 Millionen Euro (darunter allein fünf Millionen des Bochumer Lotto-Unternehmers Norman Faber) sammeln. In letzter Minute gaben Stadtsparkasse und die Stadtwerke Bochum Bankbürgschaften für die restlichen zwei Millionen und damit den lang ersehnten Startschuss.
Wenn auch der Architekten-Wettbewerb auf Hochtouren läuft, aber nicht vor März 2009 entschieden sein wird, so hoffen Townsend und die Stadtspitze immer noch ganz fest, dass spätestens Ende 2010 der Chefdirigent Sloane erstmals den Taktstock in der neuen "Symphonie" heben wird.
Meisterkonzerte sollen ebenfalls angeboten werden, wenn auch nicht immer mit den Top-Namen der Weltklasse-Orchester, die in Essen, Düsseldorf oder Dortmund gastieren. Bei Anne-Sophie Mutter oder den Wiener Philharmonikern nämlich braucht eine Konzertagentur schon 2000 Plätze, um die Eintrittspreise nicht in astronomische Höhen steigen zu lassen und die Kosten dennoch einzuspielen. Aber Townsend und Sloane denken schon an Auftritte von kleinen, feinen Ensembles in Bochums Konzertsaal. Mit Konzerthäusern in Dortmund und Essen wollen und können sie ihre "Symphonie" gar nicht erst vergleichen.
Lange war darüber gestritten worden, ob die Stadt, die von Philharmonien umgeben ist, ein solches Gebäude überhaupt braucht. Doch trotz angespannter Finanzlage und einer Arbeitslosenquote von aktuell um neun Prozent konnte sich Sloane durchsetzen. Denn "seine" Symphoniker zählen mit 100 Planstellen als A-Orchester zu den besten Klangkörpern der Region. Diese Qualität können sie auch deshalb dauerhaft pflegen, weil sie nicht durch regelmäßige Opernaufführungen bis an ihre Grenzen gefordert sind wie viele Kollegen anderswo. Nun also winkt ihnen endlich eine angemessene Spielstätte - was der Qualität vielleicht sogar noch zusätzlichen Schub verleiht.
Zur kulturellen Herzkammer des "Viktoria-Quartiers" zählt auch die vor Jahren profanierte Marienkirche. In dem Gemäuer, in dem einst Katholiken ihre Messen feierten, soll ein Kammermusiksaal eingerichtet werden, Ersatz für den bisherigen "Thürmer-Saal", in dem beispielsweise große Klavierkonzerte stattfanden. Die Eröffnung ist ebenfalls für 2010 geplant.
Kulturdezernent Townsend ist auch in diesem Punkt optimistisch. Denn 80 Prozent der für den Umbau notwendigen zwölf Millionen Euro wird das Land schultern, aus Mitteln der Städtebau-Förderung. In den "Thürmer-Saal" und die benachbarte Pianoforte-Fabrik ziehen dann die Studenten der Abteilung Darstellende Kunst und Regie der Essener Folkwang-Hochschule ein.
Noch offen ist ein weiteres Projekt für Bochums neues Kulturkarreé. Der Bochumer Schriftsteller Frank Goosen lässt bereits bauen, es soll ein Comedy-Theater daraus werden. Aber das Konzept ist noch nicht in trockenen Tüchern, deshalb mag der Vielbeschäftigte und VfL-Freund sich derzeit dazu auch noch nicht äußern.
Bochums "Viktoria-Quartier" soll auf jeden Fall dank Finanzierung von Stadt und Land eine hoch konzentrierte Infrastruktur erhalten. Wie andere Nachbarkommunen, so hofft auch die Opel-Stadt, durch die Investitionen in den "weichen" Standort-Faktor Kultur auch wirtschaftlich aufzublühen. Wie andernorts sollen durch eine expandierende und überregionale wahrgenommene Kulturlandschaft im "Viktoria-Quartier" international agierende Unternehmen und Kreative angelockt werden. Townsend: "Die suchen Urbanität, Lifestyle und ein Umfeld, wo es braust, egal ob in der U- oder E-Szene." Die "U-Szene", wie schon gesagt, befindet sich sowieso gleich nebenan im "Bermudadreieck". Und die Kreativen sind auch schon in Bochum: Dazu gehören Architekten, Werbeleute, nicht zu vergessen die "Macher" des "Moorhuhns".
Gleichwohl findet sich natürlich, wie immer, auch hier ein Haar in der Suppe. City-Kaufleute im Umfeld befürchten erst einmal eine Ablenkung möglicher Kundenströme.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen