Sonntag, 21. Dezember 2008

In einem Jahr Kulturhauptstadt

Essen: In einem Jahr Kulturhauptstadt | Frankfurter Rundschau - Feuilleton

Kulturhauptstadt Ruhrgebiet
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Kulturhauptstadt Ruhrgebiet (Bild: dpa)
Essen. Mit einem Freudenfeuerwerk über Zeche Zollverein begann vor zweieinhalb Jahren der Traum des Ruhrgebiets von der Kulturhauptstadt Europas.

Inzwischen stehen schon die Hinweisschilder an den Autobahnen, in der Essener Ruhr 2010-Zentrale arbeiten an die 50 Menschen am Programm. Noch ein Jahr, dann beginnt das große Kulturfest in den 53 Städten der einst grauen Industrieregion.
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Es hat lange vor der Eröffnungsfeier bereits einen Bauboom ausgelöst. Angefeuert vom EU-, Bundes- und Landesfördersegen entstehen von Hagen, Dortmund und Duisburg bis Essen neue Museen und Kulturzentren mit zum Teil hohen zweistelligen Millioneninvestitionen. Die jahrzehntelang immer wieder aufgeschobene Sanierung großer Bahnhöfe in der Region wurde endlich angepackt. Derzeit ist der Essener Hauptbahnhof eine Komplettbaustelle bei laufendem Betrieb, auf der Ortsfremde manches Gleis nur mit Mühe finden. Mitten in der aufziehenden Wirtschaftskrise bekommt das Ruhrgebiet einen kräftigen neuen Anstrich und faszinierende kulturelle Plätze wie das spektakulär erweiterte Museum Küppersmühle am Duisburger Innenhafen oder das "Dortmunder U".

Deutlich werden aber auch die Grenzen und Probleme der Region: Zahlreiche der 53 Kulturhauptstädte sind völlig überschuldet, auch die Bewerbungsführerin Essen. Da viele Städte seit Jahren im Nothaushalt agieren, dürften sie sich eigentlich gar nicht mit freiwilligen Zusatzausgaben und eigenen Projekten beteiligen. Das Land Nordrhein-Westfalen legte eigens ein 10-Millionen-Euro- Sonderprogramm auf, damit die Gastgeber beim Fest mit eigenen Projekten überhaupt vorkommen. In Duisburg und vor allem in Oberhausen will die Finanzaufsicht sogar den Bau von Besucherzentren verhindern, weil den Städten das Geld fehle, die Einrichtungen nach dem Ende des Festjahres weiter zu betreiben.

Schwierigkeiten wird wohl auch die Verknüpfung der weit auseinander liegenden Ziele auf einem international üblichen Niveau machen. Eine grundlegende Erneuerung des Nahverkehrsangebots mit zusätzlichen Linien wie in anderen Kulturhauptstädten war nicht möglich. Wer zum Herz des Festes auf Zollverein will, rumpelt mit der Straßenbahn vom Hauptbahnhof aus gut 20 Minuten durch die halbe Stadt. Künftig soll eine Bahnhaltestelle im Essener Norden stärker angefahren werden. Manche Punkte auf der Festkarte erreicht der Kulturhungrige nur mit mehrfachem Umsteigen plus Fußmarsch - und keineswegs alle Haltepunkte sind auch für Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen ausgelegt.

Kritik daran schreckt Ruhr.2010-Geschäftsführer Fritz Pleitgen wenig. Auch wenn die großen Konzerne angesichts drohender Zukunftsszenarien ihr Geld zusammenhalten und die Sponsorensuche zäher verläuft als erhofft, sagt er: "Je stärker der Gegenwind, desto besser der Auftrieb." Den hat der Ex-WDR-Intendant zum Beispiel bei der begeisterten Teilnahme der Bevölkerung mit eigenen Projektvorschlägen ausgemacht. Über 2200 Ideen wurden eingereicht, daraus wählte das Ruhr.2010-Team bisher 150 Projekte, rund 50 sollen noch folgen.

Nachhaltigkeit und Vernetzung der ganzen Region sind wichtige Kritierien bei dem Festival mit einem geplanten 63-Millionen-Euro- Budget. So sollen etwa die wichtigsten Bergbauschächte der einstigen Kohleregion als "Schachtzeichen" mit großen Ballons markiert und aus dem Weltraum fotografiert werden. Die sechs Ruhrgebietstheater schließen sich zu einem gemeinsamen Homer-Projekt zusammen, die Verkehrsschlagader des Ruhrgebiets, die A 40, wird ein Wochenende lang für Autos gesperrt und auf knapp 60 Kilometern für Kulturangebote aller Art vom Dönerstand bis zum Stegreiftheater geöffnet.

Im Sommer erwarten die Organisatoren einen ersten Höhepunkt, wenn an einem Tag die rund 300 000 Amateur-Chormitglieder der Region und alle, die sonst Lust haben, zum gemeinsamen Singen aufgerufen werden. Die kollektive Sangeslust gipfelt in einem 65 000-Stimmen-Konzert im Fußballstadion auf Schalke.

Dass das manchen zu platt ist, liegt auf der Hand. Kritik kam gleich doppelt aus der eher traditionellen Kunstszene und von Freien Künstlern, die sich bei den vernetzten Großprojekten nicht ausreichend berücksichtigt sehen. Doch Angebote wie Symphonie-Zyklen großer Komponisten habe jedes Festival, sagt Pleitgen. Außerdem umfasst das Programm natürlich auch stillere Projekte. Von seinem Ziel will sich der in Duisburg geborene Festivalmacher nicht abbringen lassen: "Wir werden eine Berichterstattung haben wie wir sie in Friedenszeiten über das Ruhrgebiet noch nicht hatten." (dpa)

Kulturszene beklagt Desinteresse

Kulturszene beklagt Desinteresse - Essen - DerWesten

Essen, 21.12.2008, Von Liliane Zuuring
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Unperfekthaus-Gründer Wiesemann macht Verbesserungsvorschläge für 2010

"Die Wirtschaft in Essen hat noch nicht begriffen, was die Kulturhauptstadt 2010 bedeutet", sagt Reinhard Wiesemann, Gründer des Unperfekthauses. Nur wenige Firmen träten bisher als Sponsoren auch der freien Kulturszene auf. "Kultur darf nicht als Luxusgut verstanden werden, wo man freitags oder samstags mal hingeht. Die Kultur fördert die ganze Region."

Vor wenigen Wochen schrieb Wiesemann eine Mail an 90 Essener Hotels, in der er anbot, kostenlos eine von ihnen gewünschte Anzahl an Führern "Freie Kulturszene" zur Weitergabe an die Gäste vorbei zu bringen. "Ich hatte gedacht, dass sich die Hotels freuen würden. Aus anderen Städten weiß ich, dass sich viele Hotels als Bindeglied zwischen Einheimischen und Gästen verstehen und Gästen helfen, die Stadt zu entdecken." Drei Wochen nach der Mail hatte sich immer noch kein Hotelier gemeldet, nach einem weiteren Anschreiben kamen zwei Rückmeldungen.

Schelten will Wiesemann die Branche nicht, denn er glaubt, "dass das Geschäft hektisch ist, jeder andere Prioritäten hat, vieles untergeht und dass ich mit anderen Wirtschaftszweigen die gleiche Erfahrung gemacht hätte. Die Kulturhauptstadt ist immer noch zu sehr auf die Kulturschaffenden bezogen."

"Die Wirtschaftsunternehmen müssen aufwachen. Wir müssen alle lernen", fordert er und nennt Verbesserungsvorschläge: Hotels und Taxifahrer könnten die Broschüre, eine Art "Off-Broadway-Führer", an Gäste verteilen. Hoteliers können außerdem Gästen ihren eigenen Stadtplan anbieten: "Die wesentliche Gestaltung hat das Unperfekthaus bereits bezahlt. Es können eigene Versionen gedruckt werden, die Standard-Version kann billig genutzt werden." Außerdem bietet er Gemeinschafts-Pressekonferenzen an.

Zeitgleich bittet Wiesemann um Unterstützung. "Schließlich haben wir von der Deutschen Kulturpolitischen Gesellschaft 2007 den Kulturpreis erhalten, von dem Netz innovativer Bürger den Innovationspreis. Merian setzte uns in die Top 10 der Sehenswürdigkeiten, der Senfkornpreis der Katholischen Kirche ging an uns."

Sonntag, 14. Dezember 2008

Pleitgen will Welt-Friedenstreffen für Ruhr 2010

Pleitgen will Welt-Friedenstreffen für Ruhr 2010 - WAZ - DerWesten

WAZ, 13.12.2008, Angelika Wölk
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Essen. Fritz Pleitgen, Geschäftsführender Vorsitzender der Ruhr 2010 GmbH, will das Welt-Friedenstreffen der Religionen der Laienbewegung Sant'Egidio ins Revier holen. Die Bewegung führt das interreligiöse Gespräch mit allen Religion auf allen Kontinenten.

Die Macher der Kulturhauptstadt 2010 wollen das Ruhrgebiet mit vielen großen und kleineren Projekten in glanzvolles Licht tauchen. Doch ein Plan könnte sich zu einem der heimlichen Höhepunkt entwickeln: Fritz Pleitgen, Geschäftsführender Vorsitzender, will das Welt-Friedenstreffen der Religionen der Laienbewegung Sant'Egidio ins Revier holen. „Es passt hervorragend in unser Programm. Das Thema Integration, der interreligiöse Dialog, das ist uns ein wichtiges Anliegen”, begründet der frühere WDR-Intendant und Vorsitzender der ARD das Vorhaben.

Sant' Egidio-Gründer Riccardi erhält den Karlspreis. Foto: afp (AFP)
Sant' Egidio-Gründer Riccardi erhält den Karlspreis. Foto: afp

„Sant'Egidio ist ein erstklassiger Name, es ist eine hoch angesehene Gemeinschaft, und zwar hoch angesehen von allen Religionen.” Und genau darauf komme es den Planern der Kulturhauptstadt an. Die Kirchen, aber darüber hinaus auch alle Religionen sollen eingebunden werden.
Hilfsprojekte für Arme und interreligiöse Gespräche

Die katholische Laienbewegung Sant'Egidio, der weltweit 50 000 Menschen angehören, wurde 1968 in Rom gegründet. Ihre Mitglieder organisieren Hilfsprojekte für Arme und führen mit Vertretern aller Religionen weltweit interreligiöse Gespräche und begründen Friedensinitiativen. Sie war unter anderem an den Friedensverhandlungen für Guatemala und der Elfenbeinküste beteiligt. Ihr bedeutendster Erfolg war die Vermittlung des Friedensvertrags für Mosambik 1992. Ihr Begründer, der italienische Historiker Andrea Riccardi, erhält 2009 den internationalen Karlspreis. Sant'Egidio veranstaltet jährlich ein Friedenstreffen mit Vertretern aller Religionen aus allen Teilen der Welt.

Und gerade diesen Einsatz hält Pleitgen für modellhaft auch für das Anliegen der Kulturhauptstadt. „Wir wollen Menschen zusammenbringen; wir wollen einander kennenlernen und voneinander lernen.” Das Friedenstreffen passe genau in die Grundvorstellung der Kulturhauptstadt: Wandel bewirken, Wandel auch in den Anschauungen.

Pleitgen habe die Gemeinschaft und ihre Anliegen kennen gelernt, als er dort als Gastredner eingeladen war. „Der Geist, der dort herrscht, in einer Zeit der Konfrontation und Kontroversen” auf Dialog zu setzen, das habe ihm „außerordentlich imponiert”.

Die Entscheidung, ob Sant'Egidio 2010 ins Revier kommt, soll im Januar fallen.

Doppelpass für die Kulturhauptstadt

Doppelpass für die Kulturhauptstadt - DIE WELT - WELT ONLINE

Von Fritz Pleitgen 13. Dezember 2008, 03:02 Uhr

Geschäftsführer Fritz Pleitgen beschreibt die Rolle Bochums in dem Jahrhundertprojekt

"Liebe Fans, herzlich willkommen in der Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 zum Spiel des VfL Bochum gegen den Deutschen Meister TSG Hoffenheim!" Eine solche Begrüßung, das wäre eine starke Ansage in den Fußballstadien des Ruhrgebietes. Die Vision geht weiter: Der VfL Bochum, 2010 längst befreit von Abstiegssorgen, macht mit dem Doppelpass jeden Gegner nass - wie einst von Herbert Grönemeyer besungen.

Einen feinen Doppelpass pflegen auch Bochum und Essen. Das Vorspiel: In der Ausscheidung für Nordrhein-Westfalen hatte das Ruhrgebiet im Jahr 2004 bereits ehrwürdige Kandidaten wie Köln und Münster aus dem Feld geschlagen. Doch wer würde das Banner tragen? Ähnlich wie bei Olympia muss auch bei einer Kulturhauptstadt Europas immer eine Stadt und keine Region antreten. Mit 20 zu 23 Stimmen war es eine knappe Entscheidung; doch die Bochumer haben sich bloß kurz geschüttelt und gingen gleich wieder in die Offensive. Aus Bochum gingen mehr als 200 der über 2000 Projektvorschläge für das Programm ein.

Um die Besucher angemessen zu empfangen, wird als Eintrittsportal und Drehscheibe eines von insgesamt fünf Besucherzentren der Region in Bochum entstehen. Ein "starker Ort" also! Und so heißt auch eine Kulturbaustelle, bei der sich der Bochumer Künstlerbund führend engagiert in der Findung künstlerischer Antworten auf eher unsinnliche Flecken wie Katakomben, Kellergewölbe oder auch den Wollboden einer Textilfabrik.

Kreative gibt's nicht nur in Kreuzberg. Erstmals überhaupt hat eine Kulturhauptstadt die boomende Branche der Kreativwirtschaft zu einem ihrer künstlerischen Themenfelder erklärt. Arbeitsplätze zu schaffen und damit Zukunft zu sichern, ist am gelegentlich kriselnden Standort Bochum der erklärte Auftrag. Maßgeblicher Direktor dafür ist Dieter Gorny.

Wo der Viva-Erfinder wirkt, kann die Loveparade nicht weit sein. 2009 soll Bochum Gastgeber für die größte Open-Air-Musikparty der Welt sein. Die mediale Aufmerksamkeit, die dieser Event vor allem bei jüngeren Zielgruppen erwirkt, unterstützt das Ziel von RUHR.2010, neue Bilder der Metropole Ruhr in die Welt zu tragen.

Eine weitere starke Persönlichkeit, die für den Wandel durch Kultur an der Ruhr steht, ist Steven Sloane. Der Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker zeichnet bei der Kulturhauptstadt für die schönen Künste verantwortlich. Seine im Juli beim Lincoln Center Festival in New York gefeierte RuhrTriennale-Produktion "Die Soldaten" oder auch sein Gastspiel an der San Francisco Opera im September weisen ihn als überzeugenden Botschafter der Metropole Ruhr aus.

Einen wesentlichen Beitrag leistet das Schauspielhaus Bochum als eines von sechs vernetzten Sprechtheatern. Hier spiegelt die "Odyssee Europa" mit der Neuinterpretation Homers das Selbstverständnis der Metropole Ruhr in der dramatischen Utopie europäischer Zukunft. Ruhr.2010 wird die Region einen. Gegeneinander wird nur noch auf dem Fußballfeld angetreten.

Eine Kulturmeile für Bochum

Eine Kulturmeile für Bochum - DIE WELT - WELT ONLINE

Von Michael-georg Müller 13. Dezember 2008, 03:02 Uhr

Mit dem "Viktoria-Quartier" rund um die Marienkirche plant die Stadt den großen Wurf

Bochum definiert sich nicht nur über Opel, sondern auch über Kultur." Das ist nicht nur ein großes Wort aus dem Munde von Michael Townsend. Stolz schwingt mit, wenn Bochums Kulturdezernent über das "Viktoria-Quartier" im Zentrum der Stadt spricht. Es geht um eine "Kulturmeile" gleich im Anschluss an das berühmte Event-Viertel "Bermudadreieck".

Essen hat eine solche Zusammenfassung wichtiger Kultureinrichtungen am City-Rand im Umfeld von Aalto-Oper, Konzerthaus und Folkwang-Museum. Köln hat sie rund um den Dom, die Philharmonie und die großen Museen. Dortmund bekommt sie mit dem aufregenden Kulminationspunkt des neuen "Dortmunder U".

Und nun auch Bochum. Dort soll, direkt neben der Marienkirche, pünktlich zum Kulturhauptstadt-Jahr 2010 die neue Bochumer "Symphonie" eröffnet werden. Fünf Minuten zu Fuß vom Schauspielhaus an der Königsallee entfernt, wird ein Konzerthaus mit rund 1000 Plätzen entstehen, in dem überwiegend die Bochumer Symphoniker proben und ihre Konzerte geben.

Jahrelang war um den Bau gerungen worden, nicht zuletzt von Steven Sloane. Der Generalmusikdirektor, der auf internationalen Opernbühnen und Konzertpodien einen glänzenden Ruf genießt, machte vom Bau des Konzerthauses seinen Verbleib in der Stadt abhängig. Daher schlossen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur der Initiative an.

Da die Stadt dem Bau nur zustimmen konnte, wenn die Hälfte der Gesamtkosten von etwa 30 Millionen Euro durch Privatspender eingeworben wird, ging der amerikanische Sympathieträger Klinken putzen. Bis vor einigen Wochen konnten er und das "Spendenpolo für die Symphonie" von den notwendigen 14,3 Millionen nur 12,3 Millionen Euro (darunter allein fünf Millionen des Bochumer Lotto-Unternehmers Norman Faber) sammeln. In letzter Minute gaben Stadtsparkasse und die Stadtwerke Bochum Bankbürgschaften für die restlichen zwei Millionen und damit den lang ersehnten Startschuss.

Wenn auch der Architekten-Wettbewerb auf Hochtouren läuft, aber nicht vor März 2009 entschieden sein wird, so hoffen Townsend und die Stadtspitze immer noch ganz fest, dass spätestens Ende 2010 der Chefdirigent Sloane erstmals den Taktstock in der neuen "Symphonie" heben wird.

Meisterkonzerte sollen ebenfalls angeboten werden, wenn auch nicht immer mit den Top-Namen der Weltklasse-Orchester, die in Essen, Düsseldorf oder Dortmund gastieren. Bei Anne-Sophie Mutter oder den Wiener Philharmonikern nämlich braucht eine Konzertagentur schon 2000 Plätze, um die Eintrittspreise nicht in astronomische Höhen steigen zu lassen und die Kosten dennoch einzuspielen. Aber Townsend und Sloane denken schon an Auftritte von kleinen, feinen Ensembles in Bochums Konzertsaal. Mit Konzerthäusern in Dortmund und Essen wollen und können sie ihre "Symphonie" gar nicht erst vergleichen.

Lange war darüber gestritten worden, ob die Stadt, die von Philharmonien umgeben ist, ein solches Gebäude überhaupt braucht. Doch trotz angespannter Finanzlage und einer Arbeitslosenquote von aktuell um neun Prozent konnte sich Sloane durchsetzen. Denn "seine" Symphoniker zählen mit 100 Planstellen als A-Orchester zu den besten Klangkörpern der Region. Diese Qualität können sie auch deshalb dauerhaft pflegen, weil sie nicht durch regelmäßige Opernaufführungen bis an ihre Grenzen gefordert sind wie viele Kollegen anderswo. Nun also winkt ihnen endlich eine angemessene Spielstätte - was der Qualität vielleicht sogar noch zusätzlichen Schub verleiht.

Zur kulturellen Herzkammer des "Viktoria-Quartiers" zählt auch die vor Jahren profanierte Marienkirche. In dem Gemäuer, in dem einst Katholiken ihre Messen feierten, soll ein Kammermusiksaal eingerichtet werden, Ersatz für den bisherigen "Thürmer-Saal", in dem beispielsweise große Klavierkonzerte stattfanden. Die Eröffnung ist ebenfalls für 2010 geplant.

Kulturdezernent Townsend ist auch in diesem Punkt optimistisch. Denn 80 Prozent der für den Umbau notwendigen zwölf Millionen Euro wird das Land schultern, aus Mitteln der Städtebau-Förderung. In den "Thürmer-Saal" und die benachbarte Pianoforte-Fabrik ziehen dann die Studenten der Abteilung Darstellende Kunst und Regie der Essener Folkwang-Hochschule ein.

Noch offen ist ein weiteres Projekt für Bochums neues Kulturkarreé. Der Bochumer Schriftsteller Frank Goosen lässt bereits bauen, es soll ein Comedy-Theater daraus werden. Aber das Konzept ist noch nicht in trockenen Tüchern, deshalb mag der Vielbeschäftigte und VfL-Freund sich derzeit dazu auch noch nicht äußern.

Bochums "Viktoria-Quartier" soll auf jeden Fall dank Finanzierung von Stadt und Land eine hoch konzentrierte Infrastruktur erhalten. Wie andere Nachbarkommunen, so hofft auch die Opel-Stadt, durch die Investitionen in den "weichen" Standort-Faktor Kultur auch wirtschaftlich aufzublühen. Wie andernorts sollen durch eine expandierende und überregionale wahrgenommene Kulturlandschaft im "Viktoria-Quartier" international agierende Unternehmen und Kreative angelockt werden. Townsend: "Die suchen Urbanität, Lifestyle und ein Umfeld, wo es braust, egal ob in der U- oder E-Szene." Die "U-Szene", wie schon gesagt, befindet sich sowieso gleich nebenan im "Bermudadreieck". Und die Kreativen sind auch schon in Bochum: Dazu gehören Architekten, Werbeleute, nicht zu vergessen die "Macher" des "Moorhuhns".

Gleichwohl findet sich natürlich, wie immer, auch hier ein Haar in der Suppe. City-Kaufleute im Umfeld befürchten erst einmal eine Ablenkung möglicher Kundenströme.